Computerphilologie: Technische Lektüren der BASIC-Programmierkultur

Dr. Dr. Stefan Höltgen (assoziiert mit Lehrstuhl Prof. Dr. Jens Schröter): "Computerphilologie: Technische Lektüren der BASIC-Programmierkultur", DFG-Projekt Nr. 498549454), Laufzeit drei Jahre (ab 10/2022).

Zusammenfassung: (engl. version below)

Der Beginner’s All-purpose Symbolic Instruction Code (BASIC) galt für mehr als zwei Jahr­zehnte als die ›lingua franca‹ der Programmiersprachen. BASIC hat seit seiner Er­findung 1964 nicht nur die Computerprogrammierung für neue Bildungsschichten (vor allem nicht-technischer Pro­venienz) geöffnet, sondern auch wesentlich zur Entstehung und Entwicklung der Personal-Computer-Ära ab Mitte der 1970er-Jahre beigetragen. Insbesondere im Zeit­raum zwischen 1974 (Veröffentlichung des ersten BA­SIC-Dialekts für Mikrocomputer) und 1991 (der Veröffentlichung des ersten strukturierten BASIC-Dialekts) hat die Programmier­sprache durch ihre starke Bezogenheit auf dedizierte Homecomputer-Plattformen und die daraus entstehenden Vielzahl von Dialekten unterschiedlichste internationale Programmier­kulturen ge­prägt. Untersuchun­gen, die diese Beziehung zwischen den verschiedenen Platt­formen, ihren BASIC-Dialekten und den daraus er­wachsenden Kulturen (sowie ihren Pro­gramm-Outputs) in ihrer Interde­pendenz ana­lysieren, existieren jedoch bislang nicht.

Das geplante Projekt soll diese Forschungslücke schließen und eine plurimethodische Ana­lyse der Programmiersprache BASIC, der auf ihr basierenden internationalen Programmier­kulturen sowie der se­miprofessionellen und hobbyistischen Nutzungen von BASIC exempla­risch beschreiben.

Primäre Forschungsziele des Projektes sind: die Darstellung der Wechselwirkung zwischen Computerplattform, BASIC-Dialekt, Verwendungsweisen und Programmiertechniken; die theoretische Erschließung neuer Quellen für die Computerkultur-Forschung und die Weite­rentwicklung der Theorie und Methode der Computerphilologie. Hierzu wird eine Soziolin­guistik und Taxonomie der BASIC-Dialekte und ihrer regionalen Proliferation sowie eine Prag­matik und Stilistik der Verwendungsweisen dieser Dialekte am Beispiel der Computer­spielprogrammierung entwickelt.

Solche, in BASIC pro­grammierte Computerspiele, die als Sourceco­des in Büchern, Zeit­schriften, Newslettern und ande­ren analogen und digitalen Medien publi­ziert wurden, sollen dafür ex­emplarisch analysiert werden, weil diese Softwaregattung tech­niknah an den Platt­formen programmiert wurde und das quantitativ herausstechendste BA­SIC-Software-Genre darstellt. Das Archiv dieser Softwaregattung (und der Textsorte »Programmlisting«) ist wis­senschaftlich noch weitgehend unerschlossen und fordert für seine Analyse eine spezifische Methodik: Computerphilologie.

Die im Folgenden als Computerphilologie beschriebene Theorie mit ihrem plurimethodischen Ansatz soll für diese Softwaredialektforschung fruchtbar gemacht und damit einen originellen Beitrag zu einer Medienwissenschaft des Computing und der Programmierung erbringen. Der Antragsteller greift hierzu auf seine vorherigen Forschungstätigkeiten in der Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft sowie der Informatik zurück.


Englich version:

Computer Philology: Technical Lectures of the BASIC Programming Culture

The Beginner’s All-purpose Symbolic Instruction Code (BASIC) was considered the ‘lingua franca’ of programming languages for more than two decades. Since its invention in 1964, BASIC did not only open computer programming for new educated classes, but it also triggered the emergence and development of the personal computer era in the mid-1970s. Especially from 1974 (when the first BASIC dialects for microcomputers were published) to 1991 (when the first structured BASIC dialects emerged), the programming language shaped a great variety of international programming cultures that were dedicated to specific homecomputer platforms and their hardware-dedicated BASIC dialects. Studies that examine the correlation and inter-dependency of those different platforms, their BASIC dialects and the cultures (and their programming output) that emerge from both do not exist thus far.

The planned project will close this research gap and describe a pluri-methodic analysis of the programming language BASIC, the international programming cultures that base on it, and their semi-professional and hobbyistic usage of BASIC.

The primary research objectives are: a description of the interdependency of computer platforms, BASIC dialects, usage and programming techniques; the theoretical development of new sources for computer culture analysis and the further development of the theory and method of computer philology. For this, a sociolinguistic analysis and taxonomy of BASIC dialects and their regional proliferation as well as the pragmatics and stylistics of their usage will be developed using the example of computer game programming.

Those games, programmed in BASIC, were published as source codes in books, magazines, newsletters and other analog and digital media. A selection of those codes will be examined because this software genre has been developed very hardware-orientated and is quantitatively the most outstanding BASIC software genre. This genre’s archive (as well as the archive of the text type “program listing”) is nearly unexploited by scientific and scholarly research. This analysis requires a specific method: computer philology.

Computer philology – as the proposal describes it – is a pluri-methodic approach to complement the existing research of software dialects. It is also a novel contribution to the media studies of computing and computer programming. With it, the applicant takes recourse to his former research activities in the fields of literature, culture, and media studies as well as computer science.

Kurzbiografie:

Stefan Höltgen hat von 1996 bis 2000 Germanistik, Philosophie, Soziologie und Medienwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena studiert. Von 2003 bis 2008 hat er im Fach Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn über Medien- und Gewaltdiskurse im authentisierten Serienmörderfilm promoviert (Dr. phil.). Von 2011 bis 2022 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Medientheorien der Humboldt-Universität zu Berlin. Zwischen 2015 und 2020 hat er am Lehrstuhl für Informatik und Gesellschaft der HU Berlin eine Promotion zum Thema Archäologie der frühen Mikrocomputer und ihrer Programmierung absolviert (Dr. rer. nat.). Seit 2022 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Medienwissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und betreibt dort ein DFG-finanziertes Forschungsprojekt zur Computerphilologie. Er war Vertretungsprofessor an der Universität Paderborn, Gastwissenschaftler an der Greenwich University und Lehrbeauftragter an verschienen deutschen und internationalen Universitäten.

Er ist wissenschaftlicher Beirat im Oldenburger Computermuseum, Sprecher der Fachgruppe »Informatik- und Computergeschichte« in der Gesellschaft für Informatik e.V. und Convenor der »AG Spiele« im Verband Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e.V. Seit 2014 kuratiert er das Vintage Computing Festival Berlin. Es arbeitet nebenberuflich als Medien- und Kulturjournalist und Publizist und schreibt u. a. für die Magazine »Telepolis«, »Spektrum der Wissenschaft« und »Paidia«. Zahlreiche Auftritte auf Tagungen, Workshops, im Radio, Fernsehen und in Internetportalen. Arbeiten als Rezensent, Autor, Herausgeber, Redakteur und Chefredakteur bei Filmzeitschriften, Computerzeitschriften sowie Web- und Diskettenmagazinen.

Seit 2015 ist er Mitherausgeber der Buchreihe »Computerarchäologie«. Von 2017 bis 2022 hat er die Lehrbuchreihe »Medientechnisches Wissen« herausgeben. Stefan Höltgen lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Kassel.

Kontakt:

Abteilung Medienwissenschaft
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Lennéstraße 1
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Stefan Höltgen
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